Depressionen

Geschrieben von: Günther

Guten Abend Frau Taubert,

es wäre schön, wenn ich einen Rat in meiner Angelegenheit bekommen könnte. Meine Frau leidet seit geraumer Zeit unter Depressionen und ich fühle mich mit der Situation überfordert. Meine Frau war eigentlich immer sehr fröhlich, positiv dem Leben (mit allen Höhen und Tiefen) eingestellt, hat die Dinge angepackt, liebte Gesellschaft und Trubel. Da ich einen sehr gut bezahlten Beruf habe, musste (und wollte) sie nicht arbeiten, d.h. Sie kümmerte sich um die Kinder (sind schon lange aus dem Haus, mit eigener Familie) und unser Haus, was Sie auch sehr liebte. Nebenher war sie sehr engagiert in verschiedenen Vereinen, und natürlich durften die Freunde auch nicht zu kurz kommen.

Seit einigen Monaten hat sich alles komplett verändert. Sie liegt fast nur noch auf dem Sofa oder im Bett. Sie weint fast täglich ohne ersichtlichen Grund. Manchmal ist meine Frau auch so reizbar, dass ich mich kaum traue, etwas zu sagen oder zu fragen. Kontakte pflegt sie kaum noch, nur ab und zu ein Telefonat mit der besten Freundin. Ich versuche täglich, Verständnis für sie aufzubringen und auf sie einzugehen. Außerdem beschäftige ich mich auch sehr mit dem Thema Depressionen und lese alles, was mir in die Hände fällt. Aber irgendwie schwinden allmählich meine Kräfte und ich habe das Gefühl, dass auch ich wieder was für mich tun müsste. Ich traue mich mittlerweile schon gar nicht mehr zu meinem wöchentlichen Stammtisch zu gehen, weil ich meiner Frau gegenüber ein schlechtes Gewissen habe und sie auch nicht allein lassen möchte.

Ich denke, dass es höchste Zeit wird, dass meine Frau Hilfe von anderer Stelle bekommt. Jetzt habe ich mir überlegt, ob ich vielleicht unseren Hausarzt (den wir beide sehr schätzen) konsultieren sollte und einen Termin für meine Frau vereinbaren sollte. Ich bin mir nicht sicher, ob das richtig wäre, über ihren Kopf hinweg zu entscheiden. Aber sie selbst scheint nicht die Kraft zu haben, selbst dorthin zu gehen und vielleicht wäre das ein Anfang?!

Ich wäre sehr dankbar für einen Rat Ihrerseits.

Günther

2 Gedanken zu „Depressionen“

  1. Lieber Günther,

    zuerst einmal bedanke ich mich für Ihren Beitrag. In meinem Praxisalltag erlebe ich es immer wieder, wie belastend die Situation von Angehörigen psychisch erkrankter Menschen sein kann. Vor allem, weil es Erkrankungen sind, die nicht so greifbar bzw. nachvollziehbar sind wie ein Beinbruch oder eine Grippe. Oftmals fühlen sich die meisten Angehörigen hilflos und überfordert, weil sie das Verhalten des Erkrankten nicht verstehen können, was auch schwer ist.

    In Ihrem Fall habe ich das Gefühl, dass Sie alles für Ihre Frau tun möchten, damit es ihr wieder besser geht. Es ist gut, dass Sie sich mit dem Thema Depressionen auseinandersetzen. Es ist auch wichtig, in Kontakt mit Ihrer Frau zu bleiben, doch meistens ist das am schwersten. Die Erkrankten fühlen sich oftmals missverstanden, überfordert oder eben nicht Ernst genommen. Und das ist ein wichtiger Punkt, dass es sich bei Depressionen (und anderen psychischen Leiden) um eine Krankheit handelt, die nicht einfach so vorbei geht, eben keine Laune ist. Bei Ihnen habe ich das Gefühl, dass Ihnen das bewusst ist. Sie können nicht mehr tun, als für Ihre Frau da zu sein – egal, ob es ein kleines Gespräch oder eine Umarmung ist, welches beiden gut tut – bleiben Sie dran!

    Nichtsdestotrotz muss ich Ihnen Recht geben, dass auch Sie etwas für sich tun sollten. Sie müssen kein schlechtes Gewissen haben, wenn Sie Ihren Interessen nachgehen. Vielleicht können Sie ja eine Freundin Ihrer Frau bitten, ihr Gesellschaft zu leisten während Sie bei Ihrem Stammtisch vorbeischauen. Ich könnte mir vorstellen, dass es für Sie beide beruhigender wäre.

    Was die Idee angeht, einen Termin bei Ihrem gemeinsamen Hausarzt zu vereinbaren, kann ich das nur unterstützen. Das wäre zumindest ein Anfang, denn dieser wird eine weitere Behandlung in die Wege leiten. Ich denke, dass Ihre Frau wahrscheinlich nicht die Kraft findet, von allein einen Termin zu vereinbaren. Viele Menschen, die sich in einer depressiven Episode befinden, schaffen es einfach aus Angst und/oder Scham nicht mehr. Da ist es nicht schlecht, wenn eine andere vertraute Person die Initiative ergreift.

    Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte und wünsche Ihnen – und Ihrer Frau – alles Gute, beste Hilfe und baldige Genesung.

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  2. Ich leide schon seit vielen Jahren unter Depressionen und befasse ich mich deshalb immer mit dem Thema. Zur Zeit warte ich auf eine Reha. Ich kann nur sagen, ich wäre froh, wenn ich einen Mann wie Günther hätte. Bei mir zuhause stoße ich nur auf totales Unterveständnis. Weder mein Mann noch meine Kinder und Schwiegerkinder nehmen Rücksicht auf mich oder nehmen meine Krankheit ernst. Stattdessen werde ich für faul oder interessenlos hingestellt. Ich hoffe, dass ich bei meinem Reha-Aufenthalt auf mehr Verständnis stoße und lerne, mehr auf mich zu achten u.ä..

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